09 November 2017

Ein Bier am Flughafen

Wortlos schob mir der bärtige Typ hinter dem Tresen die Flasche Bier hinüber. Als ich nach der Flasche griff, merkte ich, dass meine Finger zitterten. Das Glas war kalt, direkt aus dem Kühlschrank. Die Feuchtigkeit kondensierte in der Hitze des Nachmittags, Wasser lief über meine Finger.

Er nickte mir zu. »Das brauchst du jetzt.«

»Du weißt Bescheid?«, würgte ich hervor.

»Jeder hier weiß es«, gab er zurück. »Trink!«

Ich starrte an ihm vorbei auf die triste Gegend. Kempton Park war ein weißer Vorort von Südafrika; hinter hohen Zäunen wohnten die Weißen der Gegend, die ihre sauber rasierten Hecken und ebenso sauber geschnittenen Rasenflächen gegen Banditen verteidigten. Ich stand am Tresen eines Hostels, das in Sichtweite des Flughafens der Metropole erbaut worden war und einen eher schlichten Eindruck machte.

Flugzeuge glänzten in der Sonne, einige Vögel schwebten darüber, die Luft flirrte über der vierspurigen Umgehungsstraße in der Luft. Der Rasen des Hostels war verdorrt, nur die Bierhütte wurde richtig frequentiert. Dort lief Musik, dort gab es kalte Getränke.

Ich nahm einen Schluck Bier und genoss es, die kühle Flüssigkeit den Hals hinunterlaufen zu lassen. »Das war knapp«, sagte ich.

»Ich hab dich gewarnt«, sagt er. »Fahr nicht nach Jo'burg, es ist zu gefährlich.«

»Ich war hier vor zehn Jahren, da konnte ich nachts spazieren gehen, und es ist nichts passiert.«

»Fuck!« Er spuckte auf den Boden. »Zehn Jahre, das ist eine Ewigkeit.«

Wir schrieben den November 2003, Sommer in Südafrika. Zweieinhalb Stunden zuvor war ich mitten in Johannesburg angegriffen, geschlagen, mit einem Messer am Hals bedroht und ausgeraubt worden. Direkt vor der Hauptpost; mir reichte es vorerst.

Ich trank weiter. Beim dritten Schluck nahm ich wahr, dass der Typ hinterm Tresen, dessen Namen ich mir nie merken konnte, seine Lieblingsplatte aufgelegt hatte. Dido lief, melodischer Frauengesang mit Elektronik-Gedudel. Nach zwei Tagen hatte ich mich schon richtig daran gewöhnt und fand es sogar gut.

Als ich auf die Flasche starrte, sah ich, dass sie zitterte. Auch wenn ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, steckte der Schock tief in mir. Meine Hose war zerrissen, die Bande hatte meinen Geldbeutel und mein leeres Brillen-Etui gestohlen; meinen kleinen Rucksack mitsamt der Wasserflasche und den Kopien meines Passes hatten sie mitgenommen. Mir selbst war nichts passiert.

»Mann..« Ich schüttelte den Kopf. »Das war knapp.«

Er verneinte. »Nein. Du hattest Glück.«

»Was?«

»Glück. Sie hätten dir auch einfach die Kehle durchschneiden können.«

An diesem Tag sprachen wir nicht mehr viel. Es war nicht nötig. Ich ließ mir das Bier schmecken, hörte der Musik zu, starrte auf Flugzeuge, hing meinen Gedanken nach und sagte nicht viel.

Man ließ mich in Ruhe. Ich bekam mit, dass sie hinter meinem Rücken über mich redeten, aber man hielt sich zurück. Das war mir recht.

An diesem Tag im November brauchte ich nur Bier und Ruhe. Manchmal gibt es Tage, an denen das vollauf genügt.

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