14 Mai 2018

Sex, Liebe und eine tote Frau

Wenn die Leiche einer jungen Frau zwei Wochen im Wasser treibt und dann in den Hafen einer Kleinstadt in Neuengland geschwemmt wird, ist das kein schönes Ereignis. Vor allem dann nicht, wenn in der Kleinstadt mit dem schönen Namen Paradise die Rennwoche ansteht. So beginnt der Roman »Tod im Hafen«.

Jesse Stone, der Polizeichef der Stadt, übernimmt die Ermittlungen. Schnell stellt er Beziehungen zu Florida her, von dort hilft ihm eine junge Polizistin in Miami.

Gemeinsam kommen die beiden auf Zusammenhänge, die ihnen nicht behagen: Wohlhabende Männer veranstalten Partys auf ihren Jachten, bei denen Drogen und viel zu junge Frauen im Spiel sind. Sex als reine Triebbefriedigung also, dazu eine Vergewaltigung und der Missbrauch von Minderjährigen.

Der Fall wird ekeliger, je tiefer Stone und seine Kollegin bohren. Hinter der bürgerlichen Fassade reicher Leute kommt eine Mixtur aus käuflichem und privatem Sex zum Vorschein, die den Ermittlern übel aufstößt.

»Tod im Hafen« ist der fünfte Band der Serie um den Polizisten Jesse Stone, die der amerikanische Autor Robert B. Parker erfunden hat. Die knappen Dialoge, die zielführenden Ermittlungen, die klare Sprache ohne jeglichen Firlefanz – das hat mich alles so gefesselt, dass ich den Roman praktisch kaum aus der Hand legen konnte.

Wie oft bei den Jesse-Stone-Fällen dreht sich ein Teil des Falles um die Beziehung zwischen dem Polizisten und seiner Exfrau – die beiden versuchen, wieder zusammenzukommen – sowie um sein Problem mit Alkohol, den er vermeidet, wo es nur geht. Da der Fall viel mit Sex zu tun hat, über den vorrangig geredet wird, und über Pornografie, die man sich anschaut, bezieht Jesse Stone viele Ermittlungen auf sich und seine Beziehung.

Das könnte langweilig oder gar gefühlsduselig sein, ist es aber nicht. Als routinierter Autor schafft es Robert B. Parker, auch »gefühlige« Szenen zwischen Stone und seiner Exfrau so zu schildern, dass sie mit trockenen Dialoge und kurzen Beschreibungen sehr wirkungsvoll sind. Dadurch entsteht eine Spannung besonderer Art: Was ist Liebe, was ist Sex, was ist Beziehung?

Für Fans von Robert B. Parker gibt es übrigens einige nette Anmerkungen: Mehrfach wird ein Privatdetektiv aus Boston erwähnt, der mit seinem schwarzen Begleiter fast engagiert wird – damit ist Spenser gemeint, der bekannte Serienheld des Autors, und sein Freund Hawk. Wer die Spenser-Krimis nicht kennt, wird die Hinweise kaum wahrnehmen; wer sie mag und kennt wie ich, der freut sich.

»Tod im Hafen« ist ein typischer Parker-Roman. Was bei anderen Schriftstellern vielleicht gar nicht positiv gemeint ist, gilt hier als Kompliment – der Krimi ist modern, obwohl er auf den klassischen »Noir«-Stoffen aufbaut, und das konnte kaum einer so gut wie der 2010 verstorbene Robert B. Parker. (Erschienen ist der Roman bei Pendragon als Taschenbuch sowie als E-Book. Coole Sache!)

1 Kommentar:

Razamon hat gesagt…

Ich fand Figur des Jesse Stone immer etwas scheinheilig; einerseits Alkoholiker, andererseits immer wieder fit wenn's ums Ganze geht und zuverlässig. Das sind nicht unbedingt Begleiterscheinungen des Alkoholismus.
Grßartig hingegen sind die Virgil Cole & Everett Hitch Stories von Parker.
Doch Achtung: nur die ersten 4 Bände stammen wirklich von Parker!