18 Februar 2018

Als das schöne Geld futsch war

Aus der Serie »Dorfgeschichten«

Meine Mutter nahm mich beiseite. Es war, als wollte sie nicht, dass meine Schwester und mein Vater mitbekamen. Sie wirkte verunsichert, und sie wollte meinen Rat.

»Guck mal«, sagte sie, als wir im Wohnzimmer standen. Sie hielt mir das Schreiben einer Bank entgegen. »Das haben die mir geschrieben.«

Ich betrachtete das Schreiben. Es war eine Information zum Stand irgendeines Fonds, von dem sie Anteile gekauft hatte. Wir schrieben den Sommer 2001, und mir wurde schnell klar, was geschehen was.

Meine Mutter hatte Tränen in den Augen. »Heißt das, mein Geld ist nur noch so wenig wert?«

Ich nickte. »Wieso hast du denn Fonds-Anteile gekauft?«, fragte ich sie vorsichtig. »Das ist doch voller Risiko.«

Sie hatte es nicht gewusst. Irgendwann in den späten 90er-Jahren war ein Sparbrief, den sie jahrelang besessen hatte, ausgelaufen. Ein enger Verwandter, der sich angeblich »gut mit Geld« auskannte, hatte meiner Mutter empfohlen, 10.000 Mark in einen speziellen Fonds anzulegen. Das bringe gutes Geld.

Ich versuchte ihr zu erklären, was ein Fonds eigentlich sei. »Das sind Aktien, und die steigen halt mal, und sie fallen mal. Und derzeit stecken wir in einer Aktienkrise. Sie haben an Wert verloren – damit auch dein Anteil.«

Sie starrte auf den Brief und weinte. »Das schöne Geld.« Sie war echt verzweifelt.

Ihr Fonds hatte deutlich an Wert verloren. Von den 10.000 Mark, die sie sich als Putzfrau, als Hilfsarbeiterin in der Fabrik und noch früher als Waldarbeiterin buchstäblich vom Mund abgespart hatte, damit sie »was im Alter« davon hatte, waren einige Tausender futsch. Sie hatte ihr ganzes Leben lang hart gearbeitet und eisern gespart.

Niemand in der Bank hatte ihr gesagt, was sie eigentlich kaufte. Jeder hätte merken müssen, dass sie keine Ahnung von Aktien und Fonds hatte. Meine Mutter hatte geglaubt, es sei eine »sichere Anlage«, so etwas wie ein Sparbuch oder ein Sparkassenbrief.

Ich versuchte ihr alles zu erklären, riet ihr dann sogar, das Geld »einfach mal liegen zu lassen«, weil sich die Lage sicher wieder entspannen würde. Ob sie es in ihrer Verzweiflung verstand, war mir nicht sicher. (Der Fonds verlor übrigens weiter an Wert. Mein Rat war also nicht sonderlich gut.)

Ich informierte sie nicht darüber, dass die Bankangestellten für die Nichtberatung eine fette Provision eingestrichen hatten. Meine Mutter, die nie einen Beruf gelernt hatte, die direkt nach dem Krieg – als Mädchen – angefangen hatte, im Wald zu arbeiten, die nie viel Geld besessen hatte, die stets gespart hatte, war schlichtweg betrogen worden. Von seriösen Männern mit Anzug und Krawatte

(Wahrscheinlich hatte sie den Bankangestellten erzählt, sie wollen diesen und jenen Fonds kaufen. Die hatten sie nicht beraten und nicht über die Risiken informiert, sondern ihre 10.000 Mark in den Fonds angelegt. Hätte meine Mutter gewusst, was Fonds und Aktien sind, hätte sie das nicht getan.)

Es dauerte einige Zeit, bis sie sich wieder beruhigte. Später gingen wir zu den anderen, wir taten so, als sei nichts passiert. Aber es gibt Gründe, warum ich Bankberatern grundsätzlich misstraue ...

2 Kommentare:

Elena hat gesagt…

Das macht mich betroffen und erinnert mich an etwas, was die Verbraucherberatung mal gesagt hat:

Vertrauen Sie nicht den Bankleuten. Sie sind nicht dafür da, das Beste für den Bankkunden herauszuholen, sondern für die Bank. Sie sind nichts anderes als Verkäufer.
Kommen Sie lieber zu uns, wenn Sie Fragen haben. Die Verbraucherberatung ist für die Verbraucher da, aber die Bankleute sind für die Bank da.

Keine Beratung? Hätte sie die Leute da nicht verklagen können? Oder gab es das damals noch nicht?

RoM hat gesagt…

Salut, Klaus.
Besagter Verwandte arbeitete da nicht zufällig bei "einer Bank"!?

Ich kann nachvollziehen wie sich Deine Mutter damals gefühlt hat; speziell weil es Ihr hart erarbeitetes & erspartes Geld war. Das muss Ihr wie legale Wegelagerei vorgekommen sein.

2001 - wenige Jahre nur vor der "Bankenkrise" & die Gordon Gekkos waren bis in den kleinen Bankfilialen vertreten.
Inzwischen gilt aber das Einmotten besagter Filialen als besonders chic, um die Bilanzen der oberen Nadelstreifen zu peppen ("Hui, meine Boni!").
Apropos Niete:
Der Käser, Josef vermeinte ja letztens - aus seiner gesättigten Wohlstandsblase heraus - den Leuten, die Cents zweimal umdrehen müssen, den Erwerb von Fonds zu empfehlen, um auch zu Geld zu kommen.
Das servile Anbiedern in Davos muss da wohl schwerst nachgewirkt haben.

bonté