11 Mai 2017

Der Shabby-Chic der Vintage-Jeans

Im vergangenen Jahr wunderte ich mich gelegentlich darüber, wie viele Leute mit Löchern in den Hosen durch die Gegend spazieren. Im Frühjahr fiel es mir in Frankreich auf, während des Sommers 2016 wurde es in Deutschland immer mehr. Und jetzt, im späten Frühling des Jahres 2017, scheint es keine modische Hose mehr geben, die ohne ein dekoratives Loch mehr auskommt.

Manche Löcher sehen ein wenig so aus, wie 1977 die Hosen der Ramones: Sie sind auf den Knien aufgerissen, wirken also, als hätten die Jeanshosenträger_innen damit harte Arbeit geleistet oder wären so oft gestürzt, dass sich das Kleidungsstück aufgelöst habe. Das finde ich teilweise durchaus nett.

Skurril sind dann die Hosen, die an den unmöglichsten Stellen zerrissen sind. Kürzlich erblickte ich eine junge Frau, bei der ein Stück Hose fehlte, das gut dreißig Zentimeter lang und zehn Zentimeter breit war. Man sah also recht viel Haut, aber es sah vor allem unfreiwillig komisch aus.

Da ich keine Ahnung von Mode habe, befragte ich das allwissende Internet. Ein Trend in unserer Zeit ist bekanntlich der »Shabby-Chic«; man legt sich also Möbelstücke oder Kleidung zu, die ein wenig abgeschabt und alt aussieht. Damit setzt man auf einen Stil, der mit alten Dingen und ihren Erfahrungen spricht. (Dann ist mein Gesicht nicht mehr alt, sondern strahlt halt im »Shabby-Chic« – auch gut.)

Die ständig auf der Straße zu erblickenden Hosen laufen unter dem Begriff Vintage-Jeans. Sie sollen individueller wirken als die normale Jeans, die man sich – so wie ich – mit Standardgröße kauft, so lange trägt, bis Löcher drin sind. Eine Vintage-Jeans sieht beim Kauf schon so aus, als hätte man mit ihr ein Jahr lang Fußböden geschrubbt oder wäre mit dem Skateboard durch die Innenstadt geheizt.

Will man mehr über die Welt von heute wissen, geht man am besten auf die Zalando-Seite: »Vintage Jeans haben das volle Stylepotenzial, wenn man modisch keine Kompromisse bei Jeans eingehen will.« Es geht letztlich um einen »timeless Vintage-Style«. Auch gut.

Ich hab's kapiert. Vielleicht hätte ich all meine zerfetzten und eingerissenen Hosen aus den vergangenen Jahrzehnten nicht mühsam flicken und so lange tragen sollen, bis sie zerfielen, sondern einfach aufbewahren?

1 Kommentar:

Christina hat gesagt…

Dazu habe ich auch schon den Begriff »Destroyed-Jeans« gehört.
Ich kann mich aber erinnern, dass es die Mode Ende der Achtziger schon gab. Nur hat man sich die Teile damals selbst »verschandelt«.