12 April 2017

Der weiße Tänzer von Como

Wir waren nur wenige Schritte von der Piazza Cavour entfernt, da hörten wir es schon: Wummernd dröhnten die Bässe durch die Straße, schnell und hektisch, irgendeine Elektro-Musik, die für meine Begriffe eher nach »Deppen-Technol« klang. Die ohnehin stark bevölkerten Straßen in der Altstadt von Como schienen enger und voller zu werden, je näher wir dem Platz kamen.

An der Ecke erkannten wir, was tatsächlich geschah: Ein Mann tanzte.

Der Mann war durchaus beleibt, er war auffallend hellhäutig, und seine Haare waren mehr weiß als grau. Er hüpfte auf und ab, er bewegte sich zur Musik und schaffte es dabei, tatsächlich im Rhythmus des Beats zu springen und zu tanzen. Seine Kleidung fiel nicht sonderlich auf: eine beigefarbene Hose, ein gewöhnliches Hemd, ein Blouson in hellem Grau.

Bei der Musik hätte man eigentlich einen jugendlichen Techno-Fan oder einen HipHopper erwartet, die zu den schnellen Tönen irgendwelche coolen »Moves« gezaubert hätten, ein wenig Breakdance, ein wenig Kreisen auf dem Kopf, einen Salto nach vorne oder sonst etwas. Das machte der Mann nicht. Er sprang auf und ab, er schrieb ab und zu etwas in die Menge, die sich um ihn scharte, er hob die Fäuste und fuchtelte mit den Armen.

Ich war fassungslos, vor allem, als ich die Gesichter der Umstehenden erkannte. Sie grinsten, sie lachten, viele junge Leute filmten mit ihren Smartphones oder machten Fotos. »An dem Abend wird der Mann sicher noch zum Youtube-Star«, dachte ich. Aber es war zumeist ein höhnisches und spöttisches Lachen.

Immerhin ging ein Passant nach vorne und legte ein wenig Geld in den Hut, der vor dem Tänzer stand. Die meisten lachten, glotzten und gingen dann weiter. »Der macht sich hier öffentlich zum Affen«, überlegte ich und wusste nicht so recht, ob ich Mitleid mit dem Tänzer haben sollte oder ihn dafür bewundern, dass er »sein Ding« einfach so durchzog.

Ich sah ihn an diesem Tag noch einige Male. Wann immer ich an der Piazza vorbeikam, tanzte der weiße Tänzer. Und stets wurde er von Schaulustigen umlagert, die lachten, fotografierten und filmten. Ich entschloss mich, ihn cool zu finden. Ich selbst hätte mir das nie getraut ...

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