23 März 2016

Komplette Musketier-Geschichten

Über die frankobelgische Serie »Caline und Calebasse« hätte ich vor einem Jahr keine Zeile schreiben können. Ich hatte vergessen, dass ich einige dieser Comics in meiner frühen Jugend gelesen hatte – irgendwann in den 70er-Jahren –, und erst die Gesamtausgabe von Salleck Publications hatte mich darauf gebracht. Mittlerweile habe ich die drei dicken Bücher allesamt durchgeschmökert.

Man muss klar sagen: Es ist keine der wirklich wichtigen Serien aus der klassischen Zeit des frankobelgischen Comics. Die amüsante Serie um einen französischen Musketier und sein eigensinniges Pferd war und ist hierzulande nur den Experten ein Begriff. Dabei muss sie sich zeichnerisch wie textlich nicht hinter den bekannten Serien verstecken.

Die ersten Comics erschienen in den späten 60er-Jahren, vor allem in den 70er-Jahren hatte die Serie einen ersten Höhepunkt. Raoul Cauvin schrieb die Texte, die gelungenen Zeichnungen stammten von Luc Mazel. In der späteren Phase verfasste Mazel auch die Texte.

Und wenn ich mir die drei Bände jetzt anschaue, bin ich durchaus froh, sie zu haben – da schaue ich sicher noch oft hinein –, und stelle darüber hinaus fest, dass die Serie am Ende erst richtig gut wurde. Da schrieb der Autor und Zeichner schließlich albenlange Geschichten, nicht nur kurze Abenteuer; es entwickelten sich längere Handlungsbögen, und die Gags wurden besser gesetzt.

Was ich aber tatsächlich schlimm finde: Lese ich die redaktionellen Ergänzungen zu den jeweiligen Comics, die in den drei Büchern der Gesamtausgabe abgedruckt worden sind, merke ich, wie viele frankobelgische Comics noch einer Entdeckung harren. Allein die Serien, für die Cauvin und Mazel gearbeitet haben, verdienen eine schöne Neuauflage.

Aber wo stelle ich mir dann die noch zu erwartenden Gesamtausgaben alle hin? Das sind echt Luxusprobleme!

(Ernsthaft jetzt: Dieser Comic-Klassiker richtet sich vor allem an Leute in meinem Alter, fürchte ich. Wer mit diesem Stil nicht aufgewachsen ist, wird ihn 2015 oder 2016 auch nicht mehr ansprechend finden. Wer aber früher mal »Zack« oder »Spirou« gelesen hat, wird sich daran erfreuen können. Schaut nach bei Salleck!)

22 März 2016

Alternativlos gegen Menschen

Man sollte nicht glauben, dass die sogenannte Alternative für Deutschland eine »normale Partei« sei. Wer das allen Ernstes annimmt, muss nur ab und zu ins Internet gucken. So hat sich die AfD im Land Rheinland-Pfalz nicht entblödet, gleich nach den Anschlägen von Brüssel am 22. März 2016 eine Kampagne zu starten, die klarmacht, wes Geistes Kind sie ist. 

Das Motiv, das die AfD verbreitet, möchte ich in diesem Blog nicht zitieren; es lässt sich im Netz leicht finden. Grundaussage des Plakates und der Kampagne: »Merkels Politik der offenen Scheunentore« sei an allem Schuld, sie mache »die Radikalisierung von Islamisten erst möglich«. Dass ist nicht erst seit dem »Nine Eleven« islamistische Anschläge gibt, scheint den strammen AfDisten nicht bekannt zu sein. Ihnen geht es um die »unkontrollierte Einwanderer«, sie kämpfen gegen eine Politik, die den »Nährboden für solch ein Umfeld« schaffen. 

Widerlich ist das »Gedenken«, das die Partei in ihrem Pamphlet ausdrückt; man fordert die anderen Parteien auf, »der Wahrheit endlich ins Gesicht zu blicken«. Angeblich opfern »wir« – wer immer das sein mag – »unsere Freiheit, unsere Sicherheit und unsere Kultur« einem angeblichen »Willkommenskult einer Bundeskanzlerin«. 

Dass Merkel gerade mit den Politikern aus den anderen EU-Ländern eine beinharte Abschottung des Kontinents beschlossen hat und die unhaltbaren Zustände in Griechenland aussitzen will, das scheint die AfD-Leute nicht zu interessieren. Denn selbstverständlich glauben sie, dass die Kanzlerin »längst den Bezug zur Realität verloren hat«.

Ich weiß bei solchen Texten nicht so recht, was ich sagen und denken soll. Aber eigentlich stehen sie eh für sich ...

21 März 2016

Todesnachrichten

Irgendwann sagte jemand zu mir, »Westerwelle ist tot«, ich verstand aber im Lärm der Messe nur »Westerwelle ist da«. Und spontan sagte ich, »das ist auch so eine überflüssige Person« und vergaß die Bemerkung wieder. Erst gut zwei Stunden bekam ich mit, dass der Politiker Guido Westerwelle gestorben war – und da tat mir die Bemerkung tatsächlich leid.

Vielleicht kommt echt eine gewisse Milde in einem auf, wenn man vom Tod eines Menschen erfährt. Guido Westerwelle, der nicht viel älter war als ich, gehörte quasi zur selben Generation wie ich. Über Jahrzehnte hinweg bekam ich also mit, wie er als Politiker aufstieg und wieder fiel. Ich kann nicht sagen, dass ich ihn hasste, aber ich mochte weder sein großspuriges Auftreten noch seine neoliberale Politik.

In der Filterblase der Buchmesse bekam ich seinen Tod nur am Rand mit. Und da fand ich es tatsächlich traurig, dass er gestorben war. Was mich wunderte, weil ich ihn ja nie gemocht hatte. Aber vielleicht liegt es in solchen Fällen schlichtweg daran, dass er quasi mein Leben so lang begleitete. Seltsame Anwandlung.

Irritierenderweise machte mich der Tod von Lothar Späth nicht traurig. Den Politiker mochte ich in gewisser Weise, obwohl er von der CDU war und stets eine sehr konservative Politik betrieben hatte. Aber wahrscheinlich hatte er sein Macher-Image so gut in die Öffentlichkeit gestellt, dass ich es glaubte und deshalb irgendwie Respekt vor ihm hatte. Schwaben unter sich gewissermaßen.

Die Buchmesse ist eine Blase, Eindrücke und Nachrichten von außen kommen gefiltert. In all dem Gesprächswirrwarr über E-Books, Facebook-Aktionen, neue Manuskripte, Agenturwechsel, Verlagspersonalia und privatem Tratsch fällt sogar eine Todesnachricht unter den Tisch, ebenso die Information über Terroranschläge oder Politikerauftritte. Schon seltsam, wie man sich ablenken lässt ...

20 März 2016

Messe-Blues 2016

Es ist jedes Mal dasselbe: Während eine Buchmesse läuft, ist sie Arbeit, und manchmal nervt sie auch. Geht sie langsam zu Ende, werde ich traurig – denn eigentlich bin ich gern auf der Buchmesse und mache dort meine Arbeit. Also kriege ich am Ende stets den Messe-Blues.

Während einer Buchmesse bin ich in einer Filterblase der besonderen Art. Ich treffe haufenweise Leute, die ähnliche Interessen haben, rede mit Autoren über ihre Arbeit, rede von meinen Plänen und Absichten – und nach drei Tagen mit viel Reden und gemeinsamem Berauschen stelle ich fest, dass mir das in gewisser Weise in der Woche danach fehlen wird.

Eine Buchmesse ist wie ein Ausnahmezustand, und ich erlebe ihn zweimal im Jahr, in Frankfurt und Leipzig. Da freue ich mich dann schon aufs nächste Mal!

Messebegegnungen in Leipzig

Was ich an Buchmessen immer wieder schön finde: Man trifft Menschen aus anderen Zusammenhängen. Ich treffe selten ehemalige Schulkameraden, aber immer wieder schlagen Leute an so einem Messestand auf, mit denen mich Teile meiner Vergangenheit verbinden. Weil wir vielleicht mal auf demselben Punkrock-Konzert waren oder weil wir vielleicht selbst einmal an einer nicht hundertprozentig legalen Aktion teilgenommen hatten.

Das ist dann witzig. Gestern strandete Torsun Burkhardt bei mir, den ich seit gut zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hatte. In den frühen 90er-Jahren hatten wir häufig in Heidelberg und Mannheim miteinander zu tun, mittlerweile ist er mit seiner Band Egotronic und seinem Buch »Raven wegen Deutschland« recht erfolgreich. Damit rechnete ich nicht, und so laberten wir uns in einen Rausch aus »weißt du noch?« und »was macht eigentlich der?« – vor größerem Publikum wäre das sicher eher verwirrend gewesen, für uns war es ein riesiger Spaß.

Andere Leute, die ich traf, kannte ich von Karlsruhe her; dort hatten sie mal gelebt, bevor sie ein Studium oder die Liebe in eine andere Stadt getrieben hatte. Aber beim Stand der Raketenheftchenserie, für die ich arbeite, traf ich sie dann wieder. »Wir dachten, du machst doch sicher immer noch diesen Perry-Kram, und wollten mal nach dir schauen.« Na dann ...

19 März 2016

Dudelsack am Morgen

Eine Buchmesse hält immer wieder ihre ganz eigenen Höhepunkte bereit. So auch am vorletzten Messetag – Samstag, 19. März 2016 – in Leipzig. Während der Kollege und ich dabei sind, unseren Messestand in einen attraktiven Zustand zu versetzen, beginnt am Stand gegenüber ein besonderes Konzert: Ein Dudelsackspieler ist aufmarschiert und trötet los.

Es ist laut, es ist dudelig, und es nervt. Aber es gibt Leute, die finden das gut; einige tun zumindest so, als würden sie tanzen, und als der Dudelsackspieler zu Ende gepfiffen hat, gibt es Applaus. Nicht von mir: Ich starre entsetzt auf das Schauspiel und bekomme den Mund nicht zu.

Wie ich höre, hat sich das Schauspiel am Vortag einige Male abgespielt, und ich habe es wohl immer verpasst. Ich kann mich also auf unerwünschte Musik-Darbietungen einstellen. Na dann ...

18 März 2016

Warum gegen Merkel?

»Merkel muss weg!«, blöken sie im Netz. Die Bundeskanzlerin wird als »geisteskrank« bezeichnet, manche Leute schreiben auf öffentlichen Plattformen davon, dass man einen Aufstand gegen sie beginnen müsse. Sie labern von einer »Merkel-Diktatur«, vergleichen ihre Regierung mit der DDR oder gar dem Nazi-Regime.

Darüber hat man sich oft genug öffentlich geärgert, das Thema ist bekannt. Was mir allerdings immer wieder auffällt: Der Hass richtet sich vor allem gegen die Kanzlerin, nicht gegen den Bundespräsidenten oder gegen einen der Minister. Woran das wohl liegt?

Als die Kanzlerin im Spätsommer 2015 in einer außergewöhnlichen Aktion beschloss, die Grenzen für die Flüchtlinge zu öffnen, tat sie ausnahmsweise einmal etwas, das richtig war. Ob sie da ihrem »moralischen Kompass« folgte oder alles klar durchplante, ist mir egal. Sie tat das Richtige. (Derzeit ist ihr die menschliche Katastrophe an der griechisch-mazedonischen Grenze offenbar nicht so wichtig wie das Chaos, das im Sommer 2015 in Ungarn herrschte.)

Warum dieser Hass? Warum richtet er sich so gegen sie, vor allem seit dem September 2015? Ich weiß es nicht. Meine einzige Vermutung ist die: Angela Merkel ist eine Frau. Die Kleingeister, die Angst vor Veränderung haben, wozu eben die Flüchtlinge auch gehören, die haben natürlich auch Angst davor, dass eine Frau die Regierungsgeschäfte führt.

Wäre ein Mann an der Regierung und würde die Flüchtlingskrise mit einer »Basta«-Politik durchziehen, hätten viele Leute sicher nicht diesen Hass. Einem Mann würden sie sich vielleicht unterordnen. Zumindest klammheimlich. Spießbürger sind ja nichts anderes gewöhnt ...

17 März 2016

Unmoderne Firmen

Glaubt man den Umfrageergebnissen von Bitkom – und meinen eigenen Beobachtungen –, sind die Firmen hierzulande oftmals gerade mal mit Müh' und Not in den 90er-Jahren angekommen. Laut Bitkom, die 1100 Firmen befragt haben, benutzen 79 Prozent immer noch häufig und sehr häufig das Fax.

Das Fax? Das war 1980 eine top-aktuelle Kommunikationstechnologie. Ich erinnere mich noch gut an die Tage meiner angefangenen Lehre – da war ein Fax richtig toll. Und auch 1983, als ich bei der Zeitung jobbte, war ein Fax essentiell. Aber 2016?

Laut Bitkom benutzen nur 15 Prozent irgendwelche sozialen Netzwerke. Und da will ich nicht einmal wissen, wie diese Dienste genutzt werden. Ob da nur der Praktikant ab und zu mal ein Foto bei Facebook einstellen darf oder ob da mehr geschieht?

Klar, Bitkom verfolgt mit solchen Ergebnissen die eigenen Interessen, man sieht sich als Hightech-Verband und hofft natürlich auf staatliche Förderung. Trotzdem sind die Zahlen verwirrend.

Gleichzeitig bestätigen sie halt meine Weltsicht: Während sich unsereins in einer Filterblase von Leuten bewegt, die alle permanent online zu sein scheinen, sind viele Firmen eben noch in den 90er-Jahren hängen geblieben. Das ist nicht schlimm, fällt aber auf ...

16 März 2016

IFA Wartburg in den 90er-Jahren

Als ich Ende der 90er-Jahre zum ersten Mal von der Band IFA Wartburg hörte, war ich echt verblüfft. Angeblich handelte es sich um zwei Schweden, die mithilfe eines alten DDR-Wörterbuches und eines Reimlexikons ihre Texte schrieben und skurrile Lieder mit einer ebenso skurrilen Musikmixtur aus Schlagzeug und Orgel verbanden.

Wer sich wirklich hinter der Band verbarg und wieviel »Fake« hinter allem steckte, war mir ziemlich egal: Die Musik fand ich super. Stücke wie »Frau Gorbatschowa tanzt Bossanova« gingen mir sehr schnell ins Hirn und auch – wenn sie bei Veranstaltungen liefen – durchaus in die Beine. Vierzehnmal wurde auf der Platte »Im Dienste des Sozialismus« eine charmante Musik zwischen Schlager und Elektro, zwischen Polka und Schunkel-Pop geboten, und das war ziemlich großartig.

Wie es oftmals ist, nagte der Zahn der Zeit auch an dieser Platte. Irgendwann hatte ich mich sattgehört, und ich fasste sie jahreang nicht mehr an. Doch dann packte ich die CD mal wieder ins Auto, hörte sie – und war ziemlich begeistert. Ich fand sie immer noch klasse.

Okay, es gibt Ermüdungserscheinungen ... läuft die CD zum zweiten Mal durch, kann das sogar ein wenig nerven. Aber sie ist absolut geeignet, bei längeren Autofahrten für gute Laune zu sorgen. Und so werde ich sie in den nächsten Jahren sicher immer wieder »einsetzen«.

Women-Not-Objects

Früher habe ich mir über Sexismus keine Gedanken gemacht. Klar – als weißer Mitteleuropäer männlichen Geschlechtes hat man damit kein Problem, sondern plagt sich mit anderen Sorgen herum. Seit vielen Jahren stößt mir aber Sexismus ziemlich stark auf, und ich sitze oft kopfschüttelnd und ratlos vor mancher Werbung.

Es gibt jetzt eine aus den USA stammende Kampagne, die sich gegen sexistische Werbung engagiert. Die Dame dahinter heißt Madonna Badger und ist Chefin einer amerikanischen Agentur, die sich selbst als »female powered« bezeichnet. Sie hat die Kampagne #womennotobjects ins Leben gerufen, die sie über die bekannten sozialen Netzwerke zu verbreiten sucht.

Es geht ihr auch gegen bescheuerte Schönheitsvorstellungen. Hierzu hat sie eine Plakataktion namens #istandup ins Leben gerufen. Es geht darum, in Statements gegen »Schönheits-Terrorismus« zu protestieren.

Keine Ahnung, wie das laufen wird. Solange die Medien von unnötigen Sachen wie »Germany’s Next Top Model« – oder wie immer der Quatsch genau heißt – beherrscht werden, wird es eine Kampagne gegen Sexismus naturgemäß schwer haben ...

15 März 2016

Werbung und Zielgruppen

Wenn man jung ist, geht man auf Veranstaltungen, bei denen laute Musik tost, bei denen es viel Alkohol gibt und bei denen einem Betrunkene ins Ohr brüllen. Wenn man älter wird, bemerkt man, dass man erwachsen wird, und trinkt eher Schweppes.

So zumindest sagt es ein neuer Werbespot, den die Firma Schweppes gerade starten lässt. Der Spot ist nett, die Geschichte ist es auch – und sie lässt mich ratlos zurück: Was zum Teufel mache ich denn denn jetzt?

Ich bin deutlich älter als der Bartmichel, der in dem Spot die Hauptrolle spielt. Auch wenn ich keinen Bart habe, bin ich definitiv kein Jugendlicher mehr und ein Heranwachsender ebensowenig.

Aber mit lauter Musik, viel Alkohol und anderem Unfug kann man mich immer noch dazu bringen, den Abend sehr zu verlängern. Seufz. Mit mancher Werbung kann ich einfach nichts anfangen ...

14 März 2016

Unterdrückte Mehrheit

»Ich glaube nicht, einer unterdrückten Minderheit anzugehören, sondern einer unterdrückten Mehrheit«, schrieb mir im Februar eine Person, die ich einmal sehr geschätzt hatte. Diese Person zählte in den 80er-Jahren zu den »Linken« und schreibt heute eher rechts Zeugs – ich wollte ihr noch einmal eine Mail schreiben und dann begründen, warum ich nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte.

Die Person begründete sehr klar, welches Problem sie mit mir hatte: »Soziale Entrechtung, Kriegstreiberei, Diktatur und Wertezerstörung sind nicht nur ein Nebeneffekt der Ignoranz von Dir und Deinesgleichen, sondern der Nährboden auf dem Du derzeit noch Deine persönlichen mentalen und ökonomischen Vorteile wachsen lässt.«

So sei ich »subjektiv« ein »Gutmensch, doch objektiv ein (klitzekleiner) Funktionär des Bösen«; die Person schrieb dazu, dass sie nicht erwartete, »dass Du das verstehst« ... Mir gegenüber empfinde die Person jetzt nur noch »Mitleid, Fassungslosigkeit und Beklemmung«.

Aber ich solle wohl vor der Zukunft Angst haben: »Auch die SA ist nur solange marschiert, bis sie von ihren Kindern gefressen wurde.« Ich verzichtete dann auf eine weitere Mail.

Es mag ja sein, dass mancher Wähler einer rechtsradikalen Partei nicht weiß, was er oder sie tut. Bei Menschen, die sich selbst als intellektuell verstehen und die mit Fremdwörtern nur so um sich schmeißen, ist es meiner Ansicht nach noch viel schlimmer, wenn sie sich rechtsradikal äußern.

13 März 2016

Spaziergang in Yaoundé

Tagebuch-Notiz vom Samstag, 6. November 1999

Mein nächster Spaziergang war geradezu »normal«, nach den bisherigen Märschen eine wahre Erholung: Ich ging einfach in die Innenstadt, mein Magen machte mir nämlich gründlich klar, dass ich starken Hunger hatte und die ganze Wanderung über nichts zu mir genommen hatte – außer der Cola zwischendurch und viel Wasser aus meiner Trinkflasche.

Allerdings verging mir fast der Appetit, als ich an dem kleinen Markt vorbeikam, der sich vor dem Bahnhof erstreckte. Zwischen den zahlreichen Verkäufern, die Heilkräuter und irgendwelchen Sud in schmutzigen Flaschen anboten, hatten sich einige weitere Verkäufer breitgemacht. Sie hatten Affenkörper ausgelegt, die vor sich hinstanken und von Fliegen umschwirrt waren. Die kleinen schwarzen Körper wirkten auf den ersten Blick wie die toten Körper von Kleinkindern. Mich schüttelte es, und ich ging weiter.

Auch die halbnackte Frau lag noch neben ihrem kleinen Feuer. Wieder erinnerte sie mich an einen gestrandeten Wal: schwabbeliges Fleisch, das sich in für Afrika unglaublichen Bergen wölbte. Mit verwirrtem Blick schaute sie mich an, als ich vorbeiging, während sie sich mit der einen Hand schmierigen Reis in den Mund stopfte.

Unweit des Place John Kennedy futterte ich leckere Brochettes, die ich zwei Jungen abkaufte. Langsam bummelte ich weiter, kam vorbei an einer der Banken unweit des Restaurants »La Challenge«. An der Stelle, wo tagsüber irgendwelche Burschen die Taxis wuschen, saßen jetzt ganz viele Frauen auf dem Gehsteig. Jede von ihnen hatte einen Korb mit Erdnüssen vor sich, sie unterhielten sich laut und lachen.

Als ich an ihnen vorbeiging, eifrig mein Essen kauend, rief mich eine Frau an, die am Boden saß. »Pistache!« rief sie, und wies auf ihre Erdnüsse im Korb. »Monsieur, Pistache!« Die Körbe waren noch nahezu voll, sie hatte wohl nicht viel verkauft an diesem Tag. Und dann fielen alle Frauen ein, die an dieser Stelle saßen, und schrien und kreischten und zeterten. Das »Pistache, Monsieur, Pistache!« gellte mir noch in den Ohren, als ich bereits hundert Meter weiter war und die Frauen nicht mehr sehen konnte.

Später setzte ich mich vor eine Bar in der Avenue Ahidjo, wo ich mich zu einigen Männern setzte. Anfangs saß ich still und schweigsam daneben, trank das erstaunlich gut schmeckende »Baobab«-Bier, schaute dem Verkehr auf der Straße zu, wo es langsam dunkel wurde. Immer mehr Fußgänger waren unterwegs, die Autos mußten sich durch die Menge zeitweise fast im Schrittempo quälen.

Überall wurden eilig die Marktstände abgebaut, an ihrer Stelle machten sich zahlreiche kleine Stände breit, an denen es Brochettes und andere Leckereien gab. In der Stadt erwachte das Nachtgeschäft, durch die Straßen zog der Geruch von gebratenem Fleisch und glimmender Holzkohle, der sich mit dem Benzingestank der vorbeifahrenden Autos vermischte.

Irgendwann verwickelten mich die Männer am Tisch in ein Gespräch, dem ich trotz meiner schlechten Französischkenntnisse leicht folgen konnte: Es ging um Bier. Die Männer, die so aussahen, als ob sie sich nach einem harten Arbeitstag noch den einen oder anderen Drink gönnen wollten, bevor sie zu ihren Familien gingen, waren der Meinung, dass aus Deutschland das beste Bier komme. Ich pflichtete in solchen Fällen gerne bei.

Sie erklärten mir, daß es sich auch bei dem »Baobab«-Bier um ein deutsches Lizenzprodukt handle. Ich sollte nicht das »33« trinken, weil das von den Franzosen lizensiert worden sein, sondern mich lieber an die Produkte der »Isenbeck«-Brauerei halten; die würden nämlich gutes deutsches Bier herstellen.

Das Gespräch war nicht so ernst gemeint, wir lachten viel und stießen immer wieder an. Gelegentlich kamen Bettler an den Tisch, sie wurden von den Männern ignoriert, und ich entschloss mich, ihrem Beispiel zu folgen. Auch Schuh- und Hemdenverkäufer tauchten auf, gingen an uns vorbei, blieben vor dem Tisch stehen, zeigten ihre Kollektion. Einer der Männer interessierte sich für Kleidung für Kleinkinder, schaute sich eine solche Kollektion sehr genau an, ließ es dann aber lieber sein.

Irgendwann standen die Männer auf. »Wir müssen zu unseren Frauen«, sagte einer von ihnen lachend. Wir gaben uns die Hände, sie verschwanden; ich sah ihre weißen Hemden noch eine Weile in der Dunkelheit schimmern, dann waren sie zwischen den anderen Menschen nicht mehr auszumachen. Ich trank mein Bier aus und ging durch das nächtliche Yaoundé zurück zum Hotel.

12 März 2016

Wanderungen mit Literatur

Die Literaturzeitschrift »Am Erker« schätze ich seit vielen Jahren; ich hatte sie schon zu Beginn der 80er-Jahre abonniert und lese sie seit gut zehn Jahren wieder regelmäßig. Es bleibt nicht aus, dass ich aus Zeitgründen einzelne Ausgaben nur in Bruchstücken lese; die aktuelle Ausgabe 70 nahm ich mir wieder einmal sehr genau vor. Das Thema »Wanderungen« sprach mich tatsächlich an.

Wobei ich mit dem eigentlichen Schwerpunkt des Magazins nichts anfangen konnte. Der Dichter Hans Jürgen von der Wense war mir schon vorher unbekannt, und auch nach Lektüre des Sonderteils wurde mir nicht klar, worin denn nun seine Bedeutung liegen könnte. Die veröffentlichten Briefwechsel sind sicher für Literaturfreunde interessant, womöglich auch für Forscher und Studenten von höchstem Interesse – mir erschlossen sie sich nicht.

Das macht aber nichts. Es gibt in einem solchen Magazin schließlich einen Berg an Texten – sowohl Gedichte als auch Geschichten –, die sich gut lesen lassen, die manchmal auch ein wenig kryptisch sind, die aber eine sehr abwechslungsreiche Mischung ergeben. Richtig gelungen fand ich beispielsweise die Gedichte von Matthias Kehle, und das liegt nicht nur daran, dass ich den Autor kenne.

Wie es sich für ein solches Magazin gehört, sind zudem zahlreiche Rezensionen enthalten. Besprochen werden Gedichtsbände und Krimis, ebenso allgemeine Literatur – allerdings wenig aus großen Verlagen und wenig Phantastik. Science Fiction und Fantasy existiert für »Am Erker« praktisch nicht, was ich sogar als erholsam empfinde.

Allerdings schießt Anne Smiresco den Vogel ab, auch und gerade für Leute, die Science Fiction mögen. In der 24. Folge der Reihe »Fischwickel« legt sie den Nachweis vor, dass die »Gruppe 47« in Wirklichkeit das Werk einer weltweiten Verschwörung war, zu der auch Reichsflugscheiben und Chemtrails gehören. Das fand ich sehr witzig – so kann man Literatur schön aufgreifen und mit zeitaktuellen Verschwörungstheorien verbinden.

»Am Erker 70« ist wieder eine literarische Wundertüte, an der mit nicht alles gefallen kann und will. Das wird jedem Leser so gehen, aber allein das macht schon mal den Reiz aus. Das Magazin umfasst 148 Seiten im Großformat; man kann es mithilfe der ISBN 978-3-89126-308-2 in jeder Buchhandlung bestellen, aber auch direkt über den Verlag. Es kostet neun Euro, ich empfehle aber jederzeit ein Abonnement, wie ich es ebenfalls habe.

11 März 2016

Klugscheißer unter sich

Ich stand in der Apotheke am Tresen, ich brauchte neue Medikamente, und die Apothekerin hatte ein bestimmtes Medikament nicht vorrätig. »Soll ich es Ihnen bestellen?«, fragte sie.

»Von diesem Medikament gibt es auch ein Generikum«, sagte ich. »Vielleicht haben Sie das vorrätig.«

»Das mache ich gern«, sagte sie. »Ich schau mal, ob es da ein Generika gibt.« Sie betonte das »a« im Klugscheißermodus. Und als sie mir das Medikament dann über den Tresen reichte, fügte sie deutlich hinzu: »Hier haben Sie Ihr Generika.« Wieder betonte sie den letzten Laut, damit ich es auf jeden Fall kapierte.

Ich verzichtete darauf, ihr einen Vortrag über Einzahl und Mehrzahl zu halten, wollte ihr nicht zum Kauf eines Dudens oder der Besichtigung der Wikipedia raten und war hinterher ganz stolz auf mich, die Klappe gehalten zu haben. Leider zucke ich nochzusammen, wenn jemand sagt, »hast du das Graffiti da gesehen?«, aber das gewöhne ich mir auch noch ab.

Ich will den Lektoren- und Redakteursmodus zumindest aus dem Privatleben verbannen. Und wenn ich es irgendwann schaffe, die Klugscheißerei soweit zu verdrängen, dass sie nur in meinem Beruf auftaucht, bin ich auch froh ... Die Apotheke war ein Schritt in die richtige Richtung.

10 März 2016

Sinclair und die Buchmesse

»Jessika fröstelte, als sie die Fassade des heruntergekommenen Luxushotels betrachtete.« So beginnt der »John Sinclair«-Roman mit der Bandnummer 1966 und dem Titel »Das Horror-Hotel«. Verantwortlich für den Roman, der zu einem großen Teil in Leipzig spielt, ist der Autor Logan Dee.

Neben einem alten Hotel spielt auch die Leipziger Buchmesse eine wichtige Rolle in diesem Roman. Im Roman taucht zudem ein Unternehmer namens Udo Schimunek auf, der dem Autor Uwe Schimunek allerdings nur dem Namen nach gleicht. Die Namensähnlichkeit fand ich trotzdem witzig; wer sich hinter Kerstin Witt verbirgt, fand ich bislang nicht heraus.

Dass John Sinclair am Ende des Falles auch noch in »Auerbachs Keller« speist, fand ich eine wunderbare Abrundung des Heftromans, den ich ansonsten nicht gelesen habe – aber ich mag es, wenn die Kollegen bei den anderen Serien solche aktuellen Bezüge in ihre Romane einfließen lassen ... Ideale Vorbereitung für die Leipziger Buchmesse also ...

Tolles Punk- und Foto-Projekt

Eine echt schöne Idee für Punks, ehemalige Punks und Leute, die Punkrock zumindest mal gut fanden: Das Buch »Yesterday's Kids« kommt im Mai 2016 in der Hirnkost KG heraus – wenn alles gut geht, versteht sich. Es handelt sich um ein ambitioniertes Projekt, nicht nur wegen des Umfangs von gut 500 Seiten, des Großformats von 210 auf 280 Millimetern und des davon abzuleitenden Preises; auch der Inhalt ist ambitioniert.

Der Fotograf Tim Hackemack porträtierte insgesamt 77 Personen; dafür benötigte er vier Jahre. Er präsentiert vor allem Punks, die älter als vierzig Jahre sind, ist also auch für jemanden wie mich interessant, der viele Jahre mit Punk verbracht hat.

»Die Bilder zeigen Menschen mit Ecken und Kanten«, schreibt der Verlag in seiner Ankündigung. »Sie bestätigen und widerlegen zugleich den Mythos der Jugendkultur.« Ich bin schon sehr gespannt auf das Buch, freue mich geradezu und kann nur dazu auffordern, es vorzubestellen: Die Auflage ist dann doch sehr begrenzt, es sollen nur 500 Exemplare gedruckt werden ...

09 März 2016

Zur Schreibwoche in Mallorca

Im Februar 2016 war ich für eine Woche auf der Ferieninsel Mallorca. Vor allem ging es mir darum, viel zu schreiben – das habe ich tatsächlich ganz gut hinbekommen. Ich hatte mir einen strammen Plan gezurrt, der aus einem Pflichtteil und einer »Kür« bstand. So ganz nebenbei wollte ich mich aber auch bei langen Spaziergängen und gemütlichem Essen gut erholen; das klappte sehr gut.

Die Qualität eigener Texte kann ich schlecht beurteilen. Ich denke, dass ich ganz gut darin bin, die Werke von anderen Autorinnen und Autoren zu lesen und dann zu sagen, was ich aus welchen Gründen für gelungen oder weniger gelungen finde. Bei eigenen Texten klappt das nur, wenn sie einige Jahre alt sind und idealerweise schon gedruckt vorliegen.

Deshalb fällt mir schwer, mich konkret zur Qualität dessen zu äußern, was ich geschrieben habe. »Hast du gute Texte geschrieben?«, kann ich weder mit einem »Ja« noch einem »Nein« beantworten. Ich kann sagen, dass ich fleißig war, dass ich das Minimalziel an zu schreibenden Zeichen erreichte und dass ich grundsätzliche Gedanken zu den Motivationen meiner »Helden« anstellte.

Im Urlaub schrieb ich im Wesentlichen fünf bis sechs Kapitel eines Romans. Das klingt nicht nach viel. Ich bearbeitete auch die fünf Kapitel des Romans, die bereits vorliegen. Damit kommen wir auf rund zehn Kapitel – das wiederum macht nach der Kapitelplanung etwa ein Drittel des Romans aus. Das klingt dann schon nach mehr.

Wenn ich allerdings bedenke, dass ich bis Ende des Jahres damit fertig sein sollte, wird mir ein wenig schummerig. Es ist zu schaffen, meine Pläne halte ich für nachvollziehbar und zu erreichen – aber ich muss mich ranhalten. Aber wenn alles so klappt, wie es von mir geplant ist, wandert zum Anfang des Jahres 2017 ein umfangreiches Manuskript an einen Verlag.

Welcher Verlag das ist und worum es sich eigentlich inhaltlich handelt, dazu werde ich mich erst dann äußern, wenn alles so weit auf den Schienen ist, dass man eh nichts mehr daran ändern kann. Die Schreibwoche gab aber wesentliche Impulse, um an dem Romanprojekt einen ordentlichen Sprung nach vorne zu machen.

08 März 2016

Lesenswerte Blätter für Volksliteratur

Seit vielen Jahren bin ich ein Leser der Zeitschrift »Blätter zur Volksliteratur«, deren aktuelle Ausgabe vom »Jänner 2016« wieder auf beeindruckende Themen kommt. Daas Heft erscheint im 55. Jahrgang, es geht letztlich immer um diverse Trivialhelden aus der Vergangenheit.

Diesmal geht's in einer Zeitreise zu »Rolf Torring's Abenteuer«, die schon zwischen den Weltkriegen geschrieben wurden und heute so gut wie vergessen sind. Die Abenteuer-Heftromane begeisterten vor allem Jungs, wurden nach dem Krieg noch einige Male aufgelegt, sind aber letztlich so altmodisch, dass sie auch bei großer Heftroman-Begeisterung – wie ich sie ja habe – kaum noch lesbar sind. Den Artikel von Peter Soukup über diese alte Serie fand ich trotzdem klasse.

Das spricht übrigens immer für die »Blätter«: Sie schwanken zwischen fannischer Begeisterung und ernsthaft-wissenschaftlichem Anspruch, dabei sind sie reichhaltig illustriert. Über den herausgebenden Verein der Freunde der Volksliteratur«, dessen Internet-Seite nach wie vor sehr puritanisch wirkt, weiß ich nicht sonderlich viel; er sitzt in Wien und trifft sich regelmäßig.

Auf den 48 Seiten des Fanzines geht es auch um »Jules Vernes Mondreise als Comic«oder den verstorbenen Titelbildkünstler Rudolf Sieber-Lonati, dessen Cover mich auch heute noch faszinieren. Sie wirken vor allem im Original, sind aber auf einem gedruckten Romanheft ebenso eindrucksvoll.

Völlig unbekannt für mich war der Westernautor Llewellyn Perry Holmes, ich kannte bislang auch den Schriftsteller Karl-Heinz Berndt alias Berndt-Guben nur vom Namen her. Wenn in solchen Artikeln die Literatur der 30er- und 50er-Jahre lebendig wird, finde ich das stets sehr spannend. Das Heft überzeugt mich so auch zum wiederholten Mal.

07 März 2016

Ami-Punk, bunt gemischt

So einen richtigen Schwerpunkt hatte meine Radiosendung am Sonntag, 6. März 2016, nicht – sieht man davon ab, dass es um Punk und Hardcore aus den Vereinigten Staaten ging. Ansonsten hielt ich mich weder an regionale noch an zeitliche Einschränkungen, was auch mal hübsch war, oder brachte gleich eher obskure Bands zu Gehör.

Ein wenig in Vergessenheit geraten sind Guttermouth aus Kalifornien, deren Melodie-Punk ich immer noch mag; ich spielte Stücke aus dem Jahr 1997. Eher in die Surf-Richtung gingen Man Or Astroman? aus Georgia, die auch in Vergessenheit geraten sind; von dieser Band spielte ich Stüke aus dem Jahr 1994, die gut knallten.

Eher bekannt dürften noch heute die Descendents sein, die mich schon in den 80er-Jahren begeisterten und die in den 90er-Jahren auf einmal wieder da waren. Ich hatte eine Platte aus dem Jahr 1989 dabei. Und zumindest zeitweise sehr erfolgreich waren The Get Up Kids – aus ... ja, woher waren die denn eigentlich? –, von denen ich Emopunk-Stücke aus dem Jahr 1996 auf den Plattenteller legte. Eher ruhig und intellektuell hingegen Metroschifter ais Kentucky, die man eher in die IndieRock-Schublade stecken kann.

Sehr modern und frisch klingt der Hardcore, den Just Die! aus North Carolina spielen; ich hatte Aufnahmen der Band aus dem Jahr 2012 dabei. Transcend aus Detroit zelebrierten zu Beginn der 90er-Jahre schleppenden Newschool-Hardcore, der heute seltsam antiquiert klingt. Da wirkt der 77er-Punkrock von Scott Deluxe Drake aus Oregon dann doch moderner ...

Alles in allem servierte ich den Hörerinnen und Hörern des Querfunks in Karlsruhe ein abwechslungsreiches Programm. Denke zumindest ich ...

06 März 2016

Käse im Tollhaus

Gardi Hutter ist eine Schauspielerin aus der Schweiz, die seit mehr als drei Jahrzehnten mit ihren Programmen unterwegs ist. Vor einiger Zeit sah ich von ihr das Stück »Die Schneiderin«, das mir sehr gut gefiel; jetzt schaute ich mir ihr Stück »So ein Käse« im Tollhaus in Karlsruhe an.

Es ist ein Solo-Stück der Clownin, und es ist so umwerfend komisch und gleichzeitig »lieb«, dass man es kaum fassen kann. »So ein Käse« gibt es seit 1988, die Clownin hat es seitdem also hundertfach aufgeführt – trotzdem fand ich es frisch und faszinierend zugleich.

Gardi Hutter spielt dabei eine Maus mit langem Mauseschwanz und vorstehenden Zähnen. Sie ist in einen riesigen Käsekrümel verliebt, der in einer Mausefalle steckt. Um an den Käse heranzukommen, unternimmt sie alle möglichen Versuche: mit technischen Hilfsmitteln, mithilfe einer Fliege, zeitweise auch unter Einbindung des Publikums.

Sie verzichtet dabei weitestgehend auf Worte, bringt skurrile Geräusche und Gesten auf die Bühne. Wie sie aber aus Zeitungspapier und einem Faden sowie einem leeren Blecheimer einen »Tee« braut und ihn auf der Bühne genießerisch schlürft, das ist beeindruckend und mitreißend, es berührt einen geradezu.

Das Programm geht etwa eine Stunde, es wird von einer Pause unterbrochen, und ich hatte bei beiden Teilen immer wieder Lachtränen in den Augen. Gardi Hutter bekommt es hin, dass man mit einer imaginären Fliege mitfühlt, dass man einer Maus alles Glück der Welt wünscht und dass man kapiert, dass das skurrile Theater auf der Bühne sehr wohl auch mit dem eigenen Leben etwas zu tun hat.

Großes Theater, so fand zumindest ich!

05 März 2016

Surfer und Psychoten

Vor gut zwanzig Jahren brachte das in Düsseldorf ansässige Label Wolverine Records haufenweise Platten heraus, die im weitesten Sinne melodischen Punkrock aller Art enthielten. Viele der Platten hörte ich seitdem praktisch nie mehr an, und deshalb holte ich dieser Tage eine CD heraus, auf der sich Stücke von zwei Bands befanden – die Stücke waren dabei schön abwechslungsreich vertreten, was ich eigentlich ganz witzig fand.

Das Surf Trio aus den USA habe ich in all den Jahren nie gesehen; auf der Platte findet sich eine erstaunlich dumpfe Aufnahmequalität. Oftmals klingen die Stücke wie ein arg schlichter Ramones-Punk, seltener sind echte Surf-Songs zu hören, noch seltener wird das Ganze zum Surfpunk. Wenn man den dumpfen Sound überhören kann, bleiben gelungene Aufnahmen mit schlichtem Melodie-Punk, die sich auch nach zwei Jahrzehnten noch gut anhören lassen.

Wesentlich besser gefallen mir Psychotic Youth aus Schweden mit ihrem hochmelodischen fröhlichen Melodie-Punk. Wenn ich mich düster erinnere, habe ich die Band aus Gothenburg einmal in Köln gesehen und begeistert zu ihrem Punkrock gepogt. Die Stücke klingen stets fröhlich und voller guter Laune, die Texte sind oftmals ein wenig flach, was in diesem Fall aber nicht stört. Das kann ich mir nach all den Jahren immer noch supergut anhören – es ist eindeutig die bessere Band auf dieser CD.

Ich stelle fest: Nach zwanzig Jahren habe ich eine Platte wieder entdeckt, die ich jetzt definitiv nicht ausmustern werde; das wird vielleicht mein Soundtrack für den hoffentlich bald wieder kommenden Sommer ...

04 März 2016

Atlantis im Gruselhörspiel

Darauf muss man erst mal kommen: Der Atlantis-Mythos wird mit Horror-Elementen verbunden, dazu kommt noch ein wenig U-Boot-Action – und fertig ist ein Roman, aus dem fast dreißig Jahre danach ein Hörspiel wird. So bei der Folge 88 der »John Sinclair«-Hörspielserie, die den schönen Titel »Die Leichenstadt« trägt. Um krasse Titel war die Serie echt nie verlegen!

Das Hörspiel ist die direkte Fortsetzung von »Schlucht der stummen Götter«; echte Fans hören beide CDs oder Downloads natürlich direkt hintereinander. Aber man kann beide Geschichten gut separat genießen. Wobei sich der Genuss natürlich nur dann einstellt, wenn man Lust darauf hat, sich auf die trashige Horror-Welt des Geisterjägers einzustellen ...

Das Hörspiel basiert auf dem gleichnamigen »John Sinclair«-Roman von 1983, der in der Taschenbuch-Reihe als Nummer 25 erschienen ist. Der Geisterjäger John Sinclair hat es hier mit den Großen Alten zu tun, die eigentlich eine Erfindung des Horror-Klassikers H.P. Lovecraft sind – dabei handelt es sich um unglaublich mächtige Dämonen, gegen die herkömmliche Mittel nichts ausreichen können.

In einer Leichenstadt auf dem Grund des Meeres bewahren diese Dämonen jene Menschen auf, die sie im Hörspiel davor entführt haben. Sinclair, der mithilfe eines U-Bootes in die Nähe der Leichenstadt kommt, wird in eine Konfrontation mit den Dämonen gezogen ... und dann wird es zwar nicht unbedingt gruselig, aber doch recht krachig.

Wie immer: sehr gute Geräusche, kompetente Sprecher, eine schnell erzählte Handlung – auch diese »John Sinclair«-Geschichte funktioniert als Hörspiel sehr gut. Ich freue mich schon auf die nächsten Folgen!

03 März 2016

Altes Braunschweig-Interview

Eines der denkwürdigsten Interviews, das ich in meiner Laufbahn als Redakteur gab, wurde am 25. April 1999 in der »Neuen Braunschweiger« veröffentlicht. Interviewt wurde ich von einer jungen Kollegin, wir standen in der Nähe des Jugendzentrums »Mühle«, und sie wollte von mir nicht nur Dinge zu meiner Arbeit wissen, sondern fragte mich auch über das Privatleben aus. Da muss es mit mir durchgegangen sein ...

Der zweispaltige Artikel erschien unter dem schönen Titel »Redaktionsleiter und Freizeitpunk«, zeigt mich mit einem sehr knappen Haarschnitt – nicht länger als wenige Millimeter – und geradezu visionärem Blick. Das Interview wurde mir vor Drucklegung nicht noch einmal zur Freigabe zugeschickt, und so schrieb die junge Frau allerlei lustige Dinge über mich hinein.

»Nichts geht mehr ohne hin«, sagte sie über meine Arbeit aus. »Der 35jährige weist den insgesamt acht Autoren ihre Themen zu, sorgt dafür, daß keine inhaltlichen Fehler entstehen und sammelt Ideen.« Nebenbei sei ich aber auch »überzeugter Punk« – als ob es auch unüberzeugte Punks gäbe –, und ich erscheine mit »Irokesenfrisur oder bunten Haaren bei der Arbeit«, wozu das abgebildete Foto nun mal nicht zeugte.

Die Journalistin hatte sichtlich Freude an dem Interview. Die Chaostage wurden ebenso erwähnt wie meine angeblich spektakuläre Wohnung in Karlsruhe. Sie fragte mich auch nach der Zukunft – und niemand konnte damals ahnen, dass ich 17 Jahre später immer noch im selben Büro sitzen und arbeiten würde ...

02 März 2016

Schreibwoche vor zehn Jahren

Wann immer ich in die Vergangenheit schaue, stelle ich fest, wie viele Dinge sich in all den Jahren nicht verändert haben. So versuchte ich schon vor genau zehn Jahren, während einer sogenannten Schreibwoche möglichst viele Texte zu verfassen. Aus diesem Grund schaue ich heute mal wieder ein wenig in die Blog-Vergangenheit: Was war da eigentlich vor zehn Jahren los?

Am 17. Februar 2006 freute ich mich öffentlich über »Eine Woche Schreibarbeit«. Die verbrachte ich vor zehn Jahren allerdings daheim, was letztlich dazu führte, dass ich nicht un-fleißig war, aber mich fleißig ablenken ließ.

Am 19. Februar 2006 freute ich mich ebenfalls öffentlich: Eine Kurzgeschichte von mir war im TRUST-Fanzine veröffentlicht worden; »Sex und Musik – und das im Trust« betitelte ich meinen kurzen Artikel.

Am 20. Februar 2006 informierte ich über die »ersten Fortschritte«, die ich während meiner Schreibwoche machte. Die erwähnte Kurzgeschiuchte wurde über ein Jahr später in meinem Erzählungsband »Das Tier von Garoua« veröffentlicht.

Ebenfalls um eine Afrika-Kurzgeschichte, die im selben Buch veröffentlicht wurde, ging es in »Kolanüsse«. Über diese Geschichte schrieb ich am 21. Februar 2006 in meinem Blog ...

»Wie die Revolution begann« war der Titel einer weiteren Kurzgeschichte. Diese wurde im Fanzine »Pankerknacker« veröffentlicht, und ich freute mich am 21. Februar 2006 darüber. Wenn alles gut geht, kommt sie im Jahr 2016 zwischen zwei Buchdeckel und kann dann auch als Bestandteil eines Buches gelesen werden.

In »Punk und Fantasy« schrieb ich am 22. Februar 2006 über eine Fantasy-Geschichte, die damals noch den Arbeitstitel »Jolani« trug. Sie wurde später unter dem Titel »Als der Verderber kam« in einer Ausgabe des Magazins »Magira« veröffentlicht; ich finde sie immer noch gut, was ich nicht über all meine Texte sagen und schreiben kann ...




01 März 2016

Augenzwinkernd aus Deutschpunkhausen

Wenn es eine Band derzeit gibt, die das Erbe der Terrorgruppe antreten kann – außer der Terrorgruppe selbst, versteht sich –, ist es wohl Manu & die drei Akkorde, kurz M.U.D.D.A. Es gibt sie noch nicht sooo lang, 2013 gab’s den ersten Tonträger, und im Dezember kam die erste »große Platte« heraus.

Da ich in meinem Herzen ein wenig pubertär bin, hat sie mir sehr gut gefallen. Sie trägt den schönen Titel »Misantropez«, was ein nettes Wortspiel ist, und enthält zehn knackige Stücke: allesamt flott durchgerotzt, allesamt gut gespielt, allesamt mit amüsanten Texten und eingängigen Refrains. Das höre ich einfach gern, davon will ich mich auch mal live überzeugen.

Wobei die Anklänge an die Terrorgruppe schon sehr deutlich sind: Mal klingt die Stimme so wie die von Archie, mal rattert die Gitarre im selben Sound. Das ist jetzt nicht unbedingt originell, wird aber immerhin gut genug gemacht. Gute Platte auf jeden Fall!