17 Mai 2010

Kreuzung der drei Witwen


Nicht zum ersten Mal bin ich von einem Simenon-Roman beeindruckt; so langsam glaube ich, dass der Mann in seiner aktiven Phase nichts schlechtes geschrieben hat. Am Wochenende las ich »Maigrets Nacht an der Kreuzung«, eine Geschichte, die manchen heutigen Lesern – die an Massenmord und Folterung in Krimis gewöhnt sind – vielleicht ein wenig langweilig vorkommt.

Ein Mord geschieht in der französischen Provinz, Kommissar Maigret muss ermitteln. Hauptverdächtigt ist ein dänischer Staatsbürger, doch im Verhör in Paris gibt er nichts preis. Also muss man ihn ziehen lassen, und Maigret fährt in die Provinz.

Die Kreuzung der drei Witwen ist der Schauplatz des Romans; hier stehen drei Häuser, um die offensichtlich unheimliche Dinge geschehen. Rasch passiert ein zweiter Mord, es folgen ungemütliche Verhöre aller Anwohner, die eine oder andere Schießerei, ein wenig angedeutete Erotik und zuletzt ein Gespräch mit allen, die sich derzeit an der Kreuzung aufhalten.

Das klingt nicht besonders aufregend, ist aber superspannend. Auf nicht mal 170 Seiten schafft es der Schriftsteller Georges Simenon, seine Charaktere allesamt glaubhaft und nachvollziehbar agieren zu lassen.

Dazu kommt der Charme der alten Technik: Wenn man telefonieren will, muss die Telefonverbindungsdame in Aktion treten, und die Polizei rückt im Taxi am Tatort an. Kein Wunder: Der Roman wurde 1931 geschrieben.

Ich bin echt süchtig nach Maigret-Romanen, so langsam befürchte ich das. Aber was soll ich machen? Der dickleibige Kommissar, der sich von Bier, dick abgeschnittenem Brot, Schinken und Zigaretten ernährt, der Verdächtige sofort duzt und ansonsten sehr autoritär auftritt, hat mich gewissermaßen »verhaftet« ...

1 Kommentar:

Frank Böhmert hat gesagt…

Ja, toller Roman!

Unspektakulär und fesselnd.

Das genaue Gegenteil vieler Bestseller.