09 März 2010

Leuchttürme für intellektuelle Bürger

Es ist immer wieder schön, wer sich in diesem Land als »bürgerlich« bezeichnet und mit diesem Ausdruck ja immer alle anderen außerhalb der bürgerlichen Rechte und Pflichten verortet. (Das macht es der Oberschicht und denen, die sich dafür halten, viel einfacher, sich vom »Pöbel« zu distanzieren.) Gelegentlich hilft der Blick in sogenannte bürgerliche Medien immer wieder weiter.

In den letzten Jahren habe ich immer mal wieder »Cicero« geblättert und angelesen; auf Dienstreisen liegt es in Hotels oder wird einem sonstwie kostenlos untergeschoben. Das Magazin ist konservativ, aber nicht blöd; der Herausgeber Wolfram Weimer, den ich bei einer Veranstaltung in Heidelberg erlebte, weiß offensichtlich, wovon er redet.

Wer sich für Medien interessiert, hat vielleicht mitbekommen, dass Weimer im Sommer 2010 den »Focus« übernimmt, den rechtskonservativen Versuch des Burda-Konzerns, dem als »links« angesehenen »Spiegel« Konkurrenz zu machen. Seit 1993 gibt es den »Focus«, und ich finde das Heft völlig ungenießbar, lasse es bei Dienstreisen auch dann liegen, wenn ich es im Flugzeug gratis kriege: Im Gegensatz zur »Bild« ist der »Focus« kreuzlangweilig.

Weimer hat große Ziele. Die Medien zitieren ihn damit, dass er das Magazin für »intellektuelle Debatten öffnen« wolle, zu einem »Leuchtturm des bürgerlichen Deutschlands«. Das klingt nach intellektuellem Geschwurbel und vor allem erst mal superwichtig.

Und jetzt? Gibt's die übliche Verunglimpfung von Hartz-IV-Empfängern und Minderheiten jetzt mit mehr Fremdwörtern? Wird jetzt das »konservative« Herumtrampeln auf Schwächeren mit Schachtelsätzen garniert? Zitiert man jetzt einfach einige Lyriker aus dem 19. Jahrhundert, wenn man Frauen diskriminiert?

Interessante Gedankengang. Ich warte gespannt auf das Erscheinen des ersten »Leuchtturms«. Dann muss ich ja glatt mal »Focus« lesen.

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