08 August 2007

Bergradelträume, spät nachts

Aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen war ich mit dem Rad unterwegs zwischen Dietersweiler – so heißt das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin – nach Wittlensweiler. Und als ich so aus dem Wald radelte, überlegte ich spontan, daß ich mal wieder meinen alten Kumpel Ulrich besuchen könnte, den wir ja früher immer nur den »Fool« nannten.

Also nahm ich die Straße nach rechts den Berg hoch, und mir fiel schon unterwegs ein, daß man die ja in den letzten Jahren komplett umgebaut hatte. Aber war die früher schon so steil gewesen? Sehr seltsam.

Ich keuchte und strampelte, und ich vergaß ganz, daß ich Fool besuchen wollte. Rechts und links erhoben sich hohe Gebäude aus Sandstein, die ein wenig an das alte Kepler-Gymnasium erinnerten, in dem ich bis 1979 unterrichtet worden war.

Der Berg war steil, fast hätte ich schieben müssen, aber mit letzter Gewalt schaffte ich es bis an eine T-Kreuzung: Die steile Straße endete, und es ging sowohl nach rechts als auch nach links weiter. Links ging es, wie ich wußte, nach Freudenstadt, und da kam ja auch schon der Wald, und das interessierte. Also fuhr ich langsam in die linke Richtung.

Ein grüner Gartenzaun grenzte Bürgerhäuser zum Gehweg hin ab, aber bei einer Einfahrt sah ich hindurch und stellte fest, daß ich in unbegrenzte Leere blickte – wie im Hochgebirge. Neugierig fuhr ich mit meinem Rad zu der Hofeinfahrt und betrat den Garten.

Vom Zaun aus bot sich mir ein überraschendes Bild. Ich blickte in die Ferne, denn zu meinen Füßen fiel der Fels nahezu senkrecht ab. Ich stellte fest, daß die Häuser, zwischen denen ich stand, gewissermaßen die obere Begrenzung eines gigantischen Steinbruches bildeten.

Mir wurde fast schwindlig, als ich in die Tiefe blickte, entlang der schroffen Wand, aus der einzelne Sandsteinblocks herausragten. Wenn ich in die Ferne blickte, sah ich die Dörfer der Region zu meinen Füßen liegen.

Ich drehte um und ging mit meinem Rad zurück zur Straße. »Schon interessant«, sagte ein alter Mann, der mich stark an den ehemaligen Dorbürgermeister von Dietersweiler erinnerte. »Da haben die lang dran gearbeitet.« Ich nickte und sprang aufs Fahrrad, um die Fahrt nach Freudenstadt fortzusetzen.

Verstört wachte ich auf und brauchte eine Weile, um mir klarzumachen, daß es in Wittlensweiler selbstverständlich keinen Sandsteinbruch gibt – so klar und deutlich hatte sich das Bild in meine Gedanken eingebrannt.

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